Wenn sie besser verdient, plagen ihn Selbstzweifel
„Lass mal, ich übernehme die Rechnung.“ Diesen Satz von einer Frau zu hören, ist eigentlich keine große Sache. Doch in den meisten Partnerschaften ist immer noch der Mann der Großverdiener. Was passiert, wenn diese Rollenverteilung umgedreht wird?
Nicht alle Männer können souverän damit umgehen, wenn ihre Partnerin mehr Geld nach Hause bringt. Wird Geld zum Problem in einer Beziehung, geht es aber meist gar nicht um das Zahlungsmittel – sondern es kratzt am Rollenverständnis von Mann und Frau.
Geld ist ein symbolisches Medium, das mit Bedeutung versehen wird. Verdienen Frauen in einer Beziehung mehr Geld, kann das bei Männern Existenz- und Versagensängste auslösen. Konflikte entstehen vor allem dann, wenn das Geld ohnehin knapp ist – und wenn sie einen Tick mehr verdient als er.
Kritisch wird es auch, wenn der Partner generell unzufrieden mit seiner jetzigen beruflichen Situation ist. Viel Debattieren helfe da nicht. Stattdessen sollte man den anderen dazu ermutigen, Konsequenzen zu ziehen. Beide Partner sollten gemeinsam überlegen, was er ändern kann, etwa durch Gehaltsverhandlungen oder Fortbildungen.
„Ach, schon wieder ein neues Paar Schuhe?“, „Muss es denn immer das teure Mineralwasser sein?“ Wer das Gefühl hat, der Partner stichelt und stellt die eigenen Ausgaben ständig infrage, muss Klartext reden. Entweder die Besserverdienende setzt sich durch und kauft, was sie will. Oder sie bittet den anderen, es zu akzeptieren, wenn sie etwas Teures kauft. Eine andere Möglichkeit ist, eine Liste zu machen, in der genau festgehalten wird, welche Kosten die Partner gemeinsam tragen und welche jeder alleine trägt.
Auch sollte man langfristig Abhängigkeiten vermeiden. Es ist für die Balance ungünstig, wenn einer nur Geber, der andere nur Empfänger ist. Paare sollten diese Abhängigkeit abschaffen, indem sie für Ausgleich sorgen. So könnte der geringer Verdienende eine andere Rolle übernehmen und sich beispielsweise um die Familie oder den Haushalt kümmern. Denn wichtig ist, sich klar zu werden, was einander in der Beziehung verbindet. Dadurch gelinge es Paaren, den Fokus vom Geld auf andere Dinge zu lenken.
Bei Paaren, die ein kollektivistisches Beziehungsmodell leben, wird Geld als „gemeinsames“ Geld gesehen. Wer sich als unabhängiger Partner in einer Beziehung versteht, sieht Geld hauptsächlich als „eigenes“ an und teilt Ausgaben hälftig auf. Oft sei Paaren nicht bewusst, wie sie über Geld denken. Denn diese Einstellung werde maßgeblich vom Elternhaus mitgeprägt.
Viele hätten von Mutter oder Vater den Satz eingebläut bekommen: „Über Geld spricht man nicht.“ In Beziehungen komme man um diesen Part aber nicht herum: Spätestens wenn die Familienplanung ansteht, gibt es Probleme. Denn wenn eine Frau bisher den größten Batzen zum Haushaltseinkommen beigesteuert hat, muss umgeplant werden, wenn sie mit Baby erst mal nur Teilzeit oder gar nicht arbeiten kann.
Über Geld zu diskutieren, lohnt sich für Paare. Vermeiden sollten sie es nur in öffentlichen Situationen: Auf keinen Fall vor Fremden ausdiskutieren. Ebenfalls tabu ist es, dem Mann Geld zuzustecken, damit er vor Freunden auf dicke Hose machen kann. „Das hält nur den Schein aufrecht und macht unzufrieden“, sagt Lüthge. Im entgegengesetzten Fall – sie leiht ihm Geld, er will es nicht annehmen – sollte der Grund hinterfragt werden. Fällt es dem Partner auch bei anderen schwer, Dinge anzunehmen? Oder trifft das nur auf die Frau oder Freundin zu?
Grundsätzlich sollte die Besserverdienende nicht versuchen, das Einkommensgefälle auszugleichen im Haushalt, indem sie ihrem Partner Geld aufdrängt – auch wenn sie es noch so gut mit ihm meint. Jeder sollte seinen eigenen Lebensstil ausleben und ihn dem anderen nicht aufdrücken.
plagen – sužovat, kratzen – skřípět, einen Tick – o trochu, sticheln – popichovat, prägen – formovat, ovlivňovat, eingebläut – zakořeněný, zustecken – podstrčit, entgegengesetzt – opačný, zutreffen – platit, aufdrängen – vnucovat, s Einkommensgefälle – rozdíl v příjmu, ausleben – uskutečnit